Studienbuch (ab Sommersemester 1973) von der Ruhr-Universität Bochum
Ein früher alltägliches Objekt, heute in Zeiten von digitalen Noten-Übersichten aber eher ungewöhnlich, ist das Studienbuch aus den 1970er Jahren. Es gehört einem „Urgestein“ der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Ruhr-Uni in Bochum: Nach seinem Studium hat Gerd Neuhaus hier promoviert, sich habilitiert und ist seit 1999 außerplanmäßiger Professor.
Neben seiner wissenschaftlichen Laufbahn war er 35 Jahre lang mit Begeisterung Lehrer; ein Beruf, den bis heute viele der Absolvent:innen der Fakultät ergreifen.
Das Studienbuch enthält eine Übersicht über alle Kurse, die Neuhaus belegt hat, „belegt wohlgemerkt“, wie er schmunzelnd betont: „Das heißt ja nicht unbedingt, dass man die Vorlesungen auch wirklich gehört hat…“
Anders als in heutigen Studienordnungen hatten die Studierenden damals eine große Wahlfreiheit: Die vielen Scheine, die Neuhaus seine erfolgreichen Prüfungsleistungen bestätigen, verteilen sich fast ausschließlich auf drei Fächer. Dazu gehört natürlich insbesondere die Fundamentaltheologie, das Fach, das Neuhaus begeistert und in dem er sich dann wissenschaftlich weiterqualifiziert hat und das er bis heute lehrt. Vor allem der damalige Bochumer Fundamentaltheologe Klaus Hemmerle habe diese Faszination geweckt, berichtet Neuhaus. Und die Fundamentaltheologie sei das Fach gewesen, in dem er sich mit den Fragen auseinandersetzen konnte, denen seine eigenen Religionslehrer nicht gewachsen gewesen seien. Er habe sich gedacht, „das muss man doch besser machen können“.
So nahm er im Sommersemester 1973 sein Studium an der 1965 mit Gründung der Ruhr-Universität eingerichteten Katholisch-Theologischen Fakultät auf. Eigentlich habe ihn vor allem sein zweites Fach, die Germanistik, interessiert. Doch während er davon eher enttäuscht war, begeisterte ihn die Theologie umso mehr: „Die Diskussionen waren von einer Freiheit und Aufrichtigkeit geprägt, die ich so nie erwartet hätte“, erinnert er sich.
Die Katholisch-Theologische Fakultät wurde mit der Gründung der Ruhr-Universität 1965 eingerichtet. Nicht nur auf dem akademischen Parkett machte sich die junge Fakultät einen Namen in Forschung und Lehre: „In den 70er Jahren waren die Theologen mal Uni-Fußballmeister!“ Als Neuhaus‘ Assistentenzeit zu Ende ging, gab es ebenfalls ein Fußballspiel: Priesteramtskandidaten gegen Laien. Das wäre heute so nicht mehr möglich, denn im Jahr 2012 wurde die Priesterausbildung des Bistums Essen angesichts der geringen Anzahl von Bochum nach Münster verlegt. Für die Bochumer Fakultät war das ein entscheidender Einschnitt, denn eigentlich war der Fakultätsstatus an die Priesterausbildung geknüpft. Nach langen Verhandlungen mit dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Heiligen Stuhl konnte der Bestand der Fakultät 2018 jedoch gesichert werden.
Doch auch die Studierendenzahlen insgesamt sind, vor allem in den letzten Jahren, rapide gesunken. „Die Zukunft der akademischen Theologie macht mir inzwischen Sorgen“.
Im Laufe der Zeit hat sich natürlich auch weiteres geändert: „Dass die Professoren sich untereinander duzen, wäre damals undenkbar gewesen.“ Promotionen habe es zwischen 1975 und 1981 nicht gegeben, und das Prädikat „summa cum laude“ sei erstmals 1982 oder 1983 erteilt worden. Bis dahin habe es bei akademischen Qualifikationsverfahren nämlich immer viel Streit und Ärger gegeben. In anderer Hinsicht sei das Miteinander an der Fakultät gut gewesen. Neuhaus erinnert sich an gemeinsame Ausflüge. Das habe aber an dem humanisierenden Effekt gelegen, der von einzelnen Sekretärinnen ausgegangen sei. „Nur als diese vorschlugen, den Ausflug ins Freibad zu machen, gab das einen kleinen Skandal!“
Auch die Motivation, ein Theologiestudium aufzunehmen, sei heute eine andere: „Heute sind es oft biographische Dinge.“ Früher seien besonders viele durch Jugendarbeit in ihren Gemeinden für die Theologie begeistert worden; dieser Beweggrund sei heute deutlich seltener.
Das Verhältnis zum „Ruhrbistum“ sei heute wesentlich besser, berichtet Neuhaus: Noch vor seiner Studienzeit habe es bei einem Besuch des ersten Bischofs von Essen, Franz Hengsbach, in der Hochschulgemeinde einen Eklat gegeben: Studierende aus der Bewegung „Kritischer Katholizismus“ hätten im Rahmen einer Messfeier die Bibel gegen „Die heilige Familie“ von Marx und Engels ausgetauscht. Danach habe der Bischof die Fakultät lange Zeit gemieden.
Für unser Interview ist das Studienbuch nach gut 40 Jahren wieder an seinem Ursprungsort zurückgekehrt. Seinen Besitzer hingegen zog es auch danach immer wieder ins Bochumer GA-Gebäude. Inzwischen hat er als außerplanmäßiger Professor seinen Arbeitsplatz an der Fakultät wieder in demselben Büro wie während seiner Assistentenzeit 1978–1981, als er hier seinen Doktor machte.