Der Gehör­schutz­spender von Campus­Segen

„Du drehst am Rad – Zieh dir Stille!“

Jede Menge Ohrstöpsel füllen den Gehörschutzspender, der seit dem Wintersemester 2018/19 in der Theologischen Bibliothek der Ruhr-Uni Bochum steht. Denn wenn die Kommiliton:innen in der Bibliothek mal wieder nicht ganz so leise sind, kann das Lernen dort ganz schön anstrengend sein, weiß Hochschulseelsorger Stefan Wiesel, der neben Stationen in Würzburg und Teresina (Brasilien) selbst an der RUB studiert hat. „Da haben wir was für!“, haben er und sein Team von CampusSegen gedacht und kurzerhand gehandelt.  

Stille, Stöpsel, Seelsorge? Wer den Hinweis auf dem Spender genau liest, dem wird ein neuer Kontext eröffnet: „Die Bibel, Lukas 8,24“ wird als Quelle der verschmitzten „Du drehst am Rad? Zieh dir Stille!“-Aufforderung benannt – die biblische Erzählung, in der Jesus den Sturm auf dem See Genezareth beruhigt.

Lebenspraktische Hilfestellung, das Evangelium Jesu und die Zuwendung und Zusage Gottes, da zu sein… Das alles und noch viel mehr tritt verdichtet in Form der kleinen, bunten Schaumstoff-Helfer in Erscheinung. Welche Assoziationen bei den zahlreichen Benutzer:innen genau erzeugt werden, bekommt das Team dabei nicht unbedingt mit. „Wie Sauerteig lassen wir diesen Kurzimpuls für den Alltag fallen“, erklärt Wiesel, der seit 2016 Hochschulseelsorger im Bistum Essen ist. „Wir warten ab; schauen, was daraus passiert und haben Vertrauen, dass es seine segensreiche Wirkung bei jedem und jeder auf eigene Weise entfalten wird.“

Abschied von der klassischen katholischen Hochschulgemeinde

Am Tag des Interviews ist der Spender gut geleert, aber eine ‚Erfolgsquote‘ lässt sich trotzdem nicht beziffern. Darum geht es auch gar nicht. Die Geschenke sollen keine Gemeindemitglieder für die Arbeit der katholischen Hochschulseelsorge anwerben und schon gar nicht missionieren. Überhaupt verweist nur das kleine Logo, ein Bäumchen bestehend aus vielen Cs, auf CampusSegen als Spender des Spenders.     

CampusSegen wurde 2018 als Initiative der Hochschulseelsorge im Bistum Essen entwickelt. Diese Neuausrichtung war verbunden mit einem bewussten Abschied vom klassischen Modell der Katholischen Hochschulgemeinde. „Die Hochschulen im Ruhrgebiet sind Pendler-Unis, deshalb braucht es hier unseres Erachtens andere Seelsorge-Modelle.“ Ein weiterer Faktor: Es sind 23 Standorte, für die das Team der Hochschulseelsorge verantwortlich ist. In Essen und Bochum hat CampusSegen jeweils eine „Basis“, dort finden regelmäßige Gottesdienste, seelsorgliche Begleitung oder psychosoziale Beratung statt. An den anderen Hochschulen ist das Team immer wieder bei verschiedenen Aktionen präsent. Daneben ist Glaubenskommunikation im Internet und social media (Instagram & Facebook) ein wichtiger Bereich. Name und Logo wurden zusammen mit einer Designagentur entwickelt. „CampusSegen war die erste Idee für unsere Wort-Bild-Marke, und die passte einfach perfekt.“ Dass dabei die konfessionelle Prägung nicht sofort erkennbar ist, sei durchaus passend: „Nicht die Institution soll im Vordergrund stehen, sondern es geht uns ja um die Inhalte.“

Wo können wir noch Segen dazutun?

„Ein Segen für den Campus“ ist also das Motto. Die Grundhaltung dabei: „Es gibt schon ganz viel Segen auf dem Campus! Und den wollen wir entdecken.“ Erst im zweiten Schritt, so Wiesel, stelle sich die Frage „Wo können wir noch Segen dazutun?“

Ein Beispiel für dieses Dazutun ist der Gehörschutzspender, von dem noch zwei weitere in der Technischen Hochschule Georg Agricola und im Medienforum des Bistums Essen zu finden sind. Die Ohrstöpsel werden zudem in kleinen Döschen verteilt, z.B. an die Erstis im Theologiestudium oder unter den Festivalbesucher:innen bei „Bochum Total“.

CampusSegen und das Ruhrbistum

CampusSegen habe gut zu den Zukunftsbild-Projekten des Bistums Essen gepasst, die ab 2015 etwa zeitgleich umgesetzt wurden, findet Wiesel. Überhaupt entspreche die Initiative den Ansätzen im Bistum Essen, Pastoral aktualisiert zu leben und weiterzuentwickeln. „Dazu gehört es auch, zu experimentieren.“ Zu Beginn habe das neue Konzept durchaus zu Irritationen geführt: „Manchmal fehlte das Denken, dass es Hochschulseelsorge auch ganz anders geben könnte.“ Und in den Unis sei zum Teil noch das klassische Verständnis von KHG präsent. Oft werde dann gefragt: „Was machen Sie denn da für Angebote?“ Dabei versteht CampusSegen seinen Ansatz eher ressourcenorientiert: „Es geht nicht darum, dass wir sagen, ‚Wir versammeln die Studierenden‘ oder ‚Wir machen etwas für sie‘, sondern ‚Wir geben Raum dafür‘.“

Die Aktionen von CampusSegen sind daher bedarfsorientiert und situativ. Während der Corona-Pandemie sei z.B. die Nachfrage nach Beratung deutlich gestiegen. Auch sonst können sich Wünsche und Bedürfnisse ändern: „Aktionen und Initiativen, die wir starten, müssen dann auch gar nicht für immer sein.“

„Das Bistum Essen hat seit seiner Gründung besonders den Auftrag, sich der Wirklichkeit zuzuwenden und mit den jeweiligen Veränderungen umzugehen.“ So sei auch der Gehörschutzspender als eine Reaktion auf die universitäre Wirklichkeit zu verstehen: „In der Bibliothek ist Stille ein Segen.“

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