Gedenk­buch für die „Unbe­dachten“ (2012–2020)

„Gedenken für die Unbedachten in unserer Stadt.“ Kunstvoll ausgestaltet ziert der Titel ein besonderes Buch, das Dr. Petra Bernicke, Historikerin und Mitarbeiterin beim Evangelischen Kirchenkreis Essen (Marktkirchenbüro), im Gespräch vorstellt.

Die Titelseite: Gedenkbuch für die Unbedachten
Foto: Petra Bernicke

2.677 Eintragungen enthält der Band. 2.677 Namen von Menschen, die anonym auf Veranlassung des Essener Ordnungsamtes eingeäschert und ohne Trauerfeier bestattet wurden, weil keine Angehörigen oder Freunde auffindbar waren, die dafür Sorge tragen konnten.
Vor einigen Jahren schon hatte Pfarrer Gerd Belker das Anliegen eingebracht, dass all diese Schicksale nicht in Vergessenheit geraten dürfen. „Denn kein Mensch ist einfach weg. Bei Gott ist jeder irgendwo notiert“, beschreibt Bernicke die feste Grundüberzeugung der Verantwortlichen. Und so initiierte die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) eine besondere Form des Gedenkens. Seit 2008 wird nun jeden Monat, immer am zweiten Dienstag, ein Gedenkgottesdienst gefeiert – bei geraden Jahreszahlen in der evangelischen Marktkirche, bei ungeraden im katholischen Dom. Auf diese Weise erzähle das Buch auch die Geschichte einer gelungenen ökumenischen Zusammenarbeit der christlichen Kirchen und Gemeinden in Essen: „Die Arbeit für die Menschen geht hier Hand in Hand.“

An mehr als 30 Personen wird bei den monatlichen Feiern manchmal erinnert. Ein wichtiger Moment ist dabei immer die Verlesung der Namen, bei der für jeden von ihnen eine Kerze auf dem Altar entzündet wird. In dem Erinnerungsbuch werden die Namen schriftlich verewigt. Ein erster Band enthielt die Namen aller zwischen 2008 und 2011 so bedachten Menschen, der aktuelle die von 2012 bis 2020 Verstorbenen.

Eine Seite aus dem ersten Band aus dem Jahr 2008
Eine Seite aus dem ersten Band (Foto: Petra Bernicke)

Freunde oder Bekannte im Marktkirchenbüro, die den Kontakt zu den Verstorbenen im Laufe der Zeit verloren hatten. Sie werden über die Sammeltraueranzeigen aufmerksam, die wenige Tage vor den anstehenden Gottesdiensten in den lokalen Zeitungen veröffentlicht werden. Und dann erzählen sie manchmal doch ein wenig von den Menschen und Schicksalen, die mit den Namen verbunden sind.
Neben den Namen enthält das Buch auch das Alter der Verstorbenen: die Altersspanne reicht dabei von 7 Tagen bis zu über 100 Jahren. Es mache schon betroffen, wie viele Menschen „unbedacht“ sterben, gerade natürlich auch, wenn es um Kinder gehe. Umso schöner, dass diese Menschen in den Gottesdiensten von so vielen bedacht werden: Selbst in Zeiten der Corona-Pandemie finden sich oft 50 bis 60 Teilnehmer:innen ein. „Und während des Lockdowns wurden die Gedenkfeiern sogar gestreamt, da waren es noch mehr.“
Dabei geht es auch darum, den Verstorbenen weiterhin einen Platz im Leben zu geben: „Es gibt eine Gemeinschaft der Lebenden und der Toten.“

Im Dezember 2021 wurde das Buch dem Oberbürgermeister der Stadt Essen überreicht und befindet sich nun im Stadtarchiv. „Wer möchte, kann es sich dort anschauen.“

V.li.n.re.: Superintendentin Marion Greve (Kirchenkreis Essen), Oberbürgermeister Thomas Kufen (Stadt Essen), Stadtdechant Jürgen Schmidt (Stadtdekanat Essen), Pfarrer Fritz Pahlke (Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Essen – ACK), Dr. Claudia Kauertz (Leiterin des Stadtarchivs), Dr. Petra Bernicke (Leiterin des Marktkirchenbüros)
Foto: Kirchenkreis Essen/Alexandra Roth

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