Die Rieger-Orgel im Hohen Dom zu Essen
Von Tobias S.
Das bekannteste Objekt, das der Essener Dom beherbergt, dürfte ohne Frage die Goldene Madonna sein. Deutlich jüngeren Datums ist ein anderes prägendes Objekt der Kathedralkirche: die 2004 geweihte Rieger-Orgel. Sie wurde, so der ehemalige Domorganist Jürgen Kursawa, optisch wie klanglich als „Instrument der heutigen Zeit“ konzipiert, das sich zugleich in das historische Bauwerk einfügen und früheren Epochen der Orgelmusik eine Heimat bieten soll, ohne eine davon zu bevorzugen oder auszuschließen. Somit kommt in diesem Objekt die Dialektik von Geschichtsträchtigkeit und Modernität, wie sie für das häufig als jüngste Diözese Deutschlands bezeichnete Bistum Essen charakteristisch ist, vortrefflich zum Ausdruck – besser als am Beispiel der Goldenen Madonna, wie man argumentieren könnte.
Noch in einer anderen Hinsicht manifestiert sich die Identität des Bistums Essen in der Rieger-Orgel. Eine Orgel veranschaulicht durch das harmonische Miteinander einer Vielzahl unterschiedlichster Pfeifen und Register, wie die vielen Gemeindemitglieder in ihrer Individualität in der Liturgie zum einen Volk Gottes zusammengeführt werden, legt mithin also Zeugnis ab von einer lebendigen Einheit in Vielfalt. Diese theologisch-kirchenmusikalische Binsenweisheit trifft auf diese Orgel im Herzen des pulsierenden und außerordentlich lebendigen und bunten Ruhrgebiets ganz besonders zu. Nicht nur ist sie mit ihren über 5000 Pfeifen, 69 klingenden Registern und vier Manualen ein recht großer Orgelbau, sie verfügt zusätzlich zur Hauptorgel auch über ein Auxiliarwerk, das an einem anderen Ort der Kirche angebracht ist. Von der langen Tradition des Orgelbaus zehrend, ohne historisierend darin aufzugehen, zeichnet sich die Rieger-Orgel dadurch aus, besonders vielfältig den musikalischen Wünschen der jeweiligen Situation anpassbar zu sein. Somit erlaubt sie der oder dem Musizierenden, die Vitalität und das Potenzial von Orgelmusik im Hier und Heute voll zu entfalten – eine ermutigende Hoffnungsperspektive nicht nur für die häufig zu Unrecht als antiquiert apostrophierte Orgelmusik, sondern auch für das Bistum Essen.